Ja, ich lebe noch! - Ein Update

 Ich habe mich sehr lange nicht mehr gemeldet, entschuldigt bitte. Diesen Artikel starte ich allerdings mit der Hoffnung, dass das in Zukunft besser wird und die Entschuldigung nicht noch zu einem Gewohnheitseinstieg mutiert.

Wieder einmal hat meine späte Zurückmeldung aber auch seine Gründe, nicht allein meine Trägheit.

Erst einmal: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

 

Das Jahr hat für uns ein wenig taff gestartet, mit viel hohem Besuch, darunter der Bischof von Quetzaltenango, eine sozusagen „Chefin“ der Schwestern (auf portugiesisch die „Provincial“, eine Koordinatorin aller Missions - und Inlandsschwestern, die aber wohl nicht mit einer Oberin vergleichbar sei sondern vielmehr Entscheidungsgewalt über deutlich mehr Schwestern als nur ein Kloster hat) , die extra aus Brasilien angereist ist um Projekte zu observieren, und natürlich für mich ein wunderschönes Weihnachts- und Neujahrsgeschenk: meine Eltern mit Johannes und Regina Schockenhoff. Zu den vielen Besuchen, die alle nur mit einigen Stunden Abstand eintrafen, kamen noch drei wichtige Themen hinzu: der Start des neuen Schuljahres in Cabrican und Huitan, ein riesiges Wasserproblem, sodass wir nun seit etwa einem Monat wasserlos sind und alle paar Tage für sehr viel Geld Wasser von außen einkaufen müssen und einige „personelle Änderungen“ in unserem Zusammenleben im Haus.

Aber der Reihe nach.

 

 

Die ersten Stunden des neuen Jahres waren schon ein wenig holprig: wir konnten nämlich am Nachthimmel der Silvesternacht wegen dichtem Nebel kein einziges Feuerwerk erkennen und so nur dem fröhlichen Geknalle lauschen. Trotzdem saßen wir zu dritt glücklich und zusammen auf dem Hausdach und haben den süßen Neujahrssekt mit 12 Trauben, eine für jeden Monat voller Glück, Liebe und Geld, genossen. Ein recht unspektakulärer Jahresanfang, der aber irgendwie auch ein wenig Ruhe in das doch recht groß aufgeblasene Event gebracht hat. Das erste Mal, dass ich miterlebt habe: Silvester geht auch anders, mit Kirchgang am letzten und ersten Tag des Jahres und ein paar netten Gesprächen.  

 

 ein paar netten Gesprächen.

 

So, nun waren wir vernebelt in das Jahr gerutscht und hatten einiges vor uns. So viel, dass mir heute der Anfang des Jahres tatsächlich schon ewig her vorkommt. Da ging es dann nämlich ganz schön rund im Haus, immer laut, immer Besuch, immer großes Mittag- und Abendessen in der mollig warmen Küche. Die BesucherInnen gaben sich buchstäblich die Klinke in die Hand und blieben im Schnitt etwa drei Tage. Wie schon erklärt, kam unter anderem der Bischof von Quetzaltenango. Ich bin was Menschen und Persönlichkeiten angeht recht schwer zu beeindrucken, viele beschreiben mich auch als recht kritisch. Dieser Mann, ein intellektuell bewandter Mensch, hat es allerdings geschafft, einen wirklich bleibenden Eindruck bei mir zu hinterlassen. Sehr reflektiert und präsent tritt er auf – wie es ein Bischof im besten Falle natürlich sowieso tut. Trotzdem: der hohe Besuch hat sich als ein sehr angenehmer Besuch entpuppt.

 

Leider hat sich so etwa zwei Tage vor seinem Eintreffen das Wasser verabschiedet. Um diese Problematik zu verstehen, muss ich ein wenig über das Wassermanagement der Menschen hier in Cabrican erzählen. Das Land hier ist sehr trocken, es gibt keinen Fluss o.ä. , der durch die Gegend fließt.Wasser ist hier also Gold. Aus diesem Grund ist es üblich, sich als Familie oder aber als Zusammenschluss mehrerer Familien mit finanziellem Zuschuss aus Projekten wie beispielsweise den Amigos Alemanes oder auch vom Bürgermeister persönlich, eine oder mehrere Quellen in den Bergen zu kaufen und dann Wasserleitungen zu einem tiefer gelegten Tank oder Häusern zu legen. Diese Quellen gibt es meist in den höheren Bergen und versiegen hin und wieder mal, sind aber grundsätzlich eine sehr lohnenswerte Anschaffung für einige Jahre. Wenige kaufen Wasser von lokalen Anbietern, das ist auf Dauer sehr kostspielig und man weiß auch nicht so richtig über die Herkunft Bescheid. Außerdem wird das noch doppelt so teuer, wenn Vieh versorgt werden muss. Für die meisten Familien nicht lebenslänglich tragbar ohne große Einkünfte. Und aus diesen Gründen hat auch Padre Pedro, derjenige, der vor vielen vielen Jahren die ganze Kooperation mit Alemania angeleiert hat und dem Dorf vor seinem Tod unglaublich viel Gutes getan hat, für die Schule, die Kirche und das Haus der Schwestern einige Quellen in den Bergen gekauft. Quellen bringen viel Gutes, aber eben auch einen Haufen Arbeit mit sich. Da die Plastikleitungen teilweise recht abenteuerlich durch viel befahrene Wege liegen oder in Bäumen von trockenen Ästen gehalten werden, muss also immer die Funktionstüchtigkeit der Rohre beobachtet werden. So kommt es auch mal vor, dass an einer Stelle ein Pferd das Plastik zertreten hat oder ein Lastkarren ein Loch verursacht hat und man dann kurze Zeit später alle Wege der Rohre abgehen muss, um diesen kleinen kaputten Abschnitt zu finden, sodass wieder Wasser ans Haus fließt. Man bemerke an dieser Stelle, dass die Rohre durch mehrere Ortschaften und von dem einige Kilometer entfernten Berg gelegt sind. Mit der Suche kann also locker mal ein ganzer Morgen, wenn nicht sogar ein gesamter Tag verbracht werden. Diese Anstrengungen nimmt man allerdings für fließendes Wasser gerne in Kauf, wenn es sein muss auch zwei Mal in der Woche oder mehrere Male im Monat. Uns ging Anfang des Monats wieder einmal das Wasser aus. Nur leider ganz. Nach vielen Defektsuchaktionen und sogar einer Grundsäuberung aller Quellen bleibt leider auch kein immer wiederkehrender Hoffnungsfunke, dass am Abend vielleicht eine warme und ausgiebige Dusche möglich wäre. Das Problem ist wohl ein größeres, eines am Grund einer der Quellen, da müsse wohl ein Fachmann ran. Nur leider gibt es hier in Cabrican auf dem Dorf kaum Fachmänner. Ich glaube es dauert also noch ein Weilchen, bis meine morgendliche Katzenwäsche einer ordentlichen Dusche weicht. Wie sehr man Deutschlands Wasserversorgungssystem doch schätzen kann, das wird mir hier wirklich bewusst.

 

Unter diesem Ausnahmezustand stand dann also der nächste Besuch vor der Tür. Meine Eltern konnten sich glücklicherweise ein wenig Zeit in ihrem arbeitsintensiven Deutschlandalltag für die Erkundung des Landes freischaufeln, in dem ich jetzt schon fünf Monate bin und mich trotz aller Ups und Downs wirklich pudelwohl fühle. Mit ihnen kam Johannes Schockenhoff, einer der Koordinatoren des Vereins „Padre Pedro – Guatemalahilfe“, ein Freund der Familie mit seiner Ehefrau Regina. In erster Linie natürlich, um Projekte zu observieren aber natürlich auch, um meinen Eltern das Land zu zeigen. Die ganze Truppe blieb dann vier schöne und intensive Tage, bis ich mich entschloss, das Wochenende mit ihnen am Atitlansee zu verbringen, einem der schönsten Orte des Landes, wie die Bilder unten zeigen. Wir konnten viele Beobachtungen austauschen und auch ein bisschen über die nächsten Schritte sprechen. Hier kam das erste Mal das Thema auf, nicht doch ein wenig länger hier zu sein. Durch die langen Ferien im November und Dezember beginnt meine richtige Arbeit eigentlich so richtig erst jetzt im Januar, geplantes Arbeitsende hier wäre aber schon im Februar.Gar nicht richtig denkbar für mich irgendwie, wo ich mich doch gerade jetzt so richtig wohl in der Gesellschaft und im Kontakt mit de Menschen fühle. So habe ich mich also dazu entschlossen, meinen Aufenthalt bis Anfang Juni zu verlängern, bis mich diverse Dinge nach Deutschland zurückziehen.

 

Apropos Arbeit. Das neue Schuljahr begann auch Anfang Januar, sodass neben vielem Besuch ganz besonders der Beginn des Unterrichts koordiniert werden musste. Mit Englischstunden ließen wir es erst einmal ruhig angehen, die Kinder mussten sich erst ein wenig etablieren und eingewöhnen. Ich hatte aber auch sonst genug hier und da zu tun, an Arbeit fehlt es hier nie. Die letzten zwei Wochen waren dann aber ganz normal und mit erst einmal nur zwei Schulen zu bedienen wirklich toll. Ab nächster Woche kommen dann noch zwei weitere Institutionen dazu, dann ist die Woche tatsächlich sehr vollgepackt. Naja, dafür sind wir ja auch hier.

Wir? Ja, wir Freiwillige sind seit dem 22. Januar zu zweit hier. Während eine Inez geht, kommt nur wenige Wochen später eine andere Inez. Schwester Inez aus Brasilien hat sich Anfang des Jahres aus diversen Gründen auf den Rückweg nach Brasilien gemacht und wird auch nicht wiederkommen, sodass Schwester Lilia und Luzia mit mir während der intensiven Januartage zu dritt waren. Seit Kurzem ist aber Inez, meine Nachfolgerfreiwillige im Land und wird den Februar mit mir gemeinsam arbeiten. Ich freue mich schon ungemein auf das Teilen von Erfahrungen und die gemeinsame Entscheidungsfindung in so vielen alltäglichen Fragen. Auch spielt Inez Jazztrompete, sodass wir in Zukunft sicher das ein oder andere Mal ein wenig zusammen jammen werden. Mega:)

 

So, so viel zum Januarmonat. Es gibt noch sehr viel aus dem Dezember zu berichten, Weihnachtstraditionen und so weiter. Da berichte ich dann nächstes Wochenende von, wenn ein wenig Ruhe und Alltag eingekehrt ist. Auch wenn die Nachweihnachtsstimmung schon zum Großteil in erneutem Alltagsstress erstickt ist, ich weiß…

 

Trotzdem noch ein besinnlicher Gruß von mir und ein riesig großes DANKE für eure Geduld und die zahlreichen Besuche hier, wie schön es doch ist, dass einige meine Texte lesen:)