Xela

Meine Reise führt mich nach einigen Tagen in der Hauptstadt mit dem holprigen Bus inklusive lauter guatemaltekischer Marimbaschlager nach Quetzaltenango, umgangssprachlich überwiegend Xela genannt. Xela hat etwa 150 000 Einwohner und liegt auf circa 2200 Metern im gebirgigen Teil des Landes. Die Stadt führt ein gewisses Eigenleben, die Bewohner sind oft schon seit vielen Generationen Quetzaltenangos und man sagt ihnen nach, ein bisschen arrogant zu sein. Arroganz ist vielleicht ein zu negativer Begriff, aber man spürt die Verbundenheit zur Heimat doch recht deutlich. In der Historie der Stadt findet man immer wieder einen gewissen Konkurrenzkampf mit der Hauptstadt im Sinne von kultureller sowie wirtschaftlicher Stärke. Die zweitgrößte Stadt des Landes ist auf Unabhängigkeit erpicht, selbst nachdem sie nach dem Ausbruch des nächstgelegenen Vulkans Santa Maria fast vollständig zerstört wurde. Nach dem Wiederaufbau kam sie nie mehr zu der Stärke und zum Status "Handlungszentrum Guatemalas", den sie mal hatte. Trotzdem ist die Stadt weiterhin ihr eigener Chef und strahlt Stolz sowie Eigenständigkeit aus. Zum Beispiel bleiben die meisten Quetzaltenangos zum Studieren in Xela bei ihren Familien (natürlich auch aus finanziellen Gründen) und sagen von sich selbst, durch und durch die Kultur der Stadt angenommen zu haben. Ich habe das Gefühl, diese Kultur ist ganz schön traditionell und auf Familienstrukturen erpicht. Die Vaterrolle ist noch sehr extrem ausgeprägt - er ist Geldgeber, entscheidet ob der Mann für die Tochter tatsählich der richtige ist, verbietet besonders den Mädchen der Familie die Dinge, die er nicht gutheißt (oft auch nach der Volljährigkeit geht es dabei um Themen wie Alkohol oder freizügige Kleidung). Als ich von der Unselbstständigkeit von so vielen Frauen in der Stadt höre, fühle ich mich zurückgesetzt in deutsche 50er Jahre. Ich habe das Gefühl, die Traditionalität der Stadt ist ein entscheidender Unterschied zur Hauptstadt, die was diesen Punkt angeht, doch deutlich moderner ist. 

Was Xela besonders bei Touristen auszeichnet sind die vielen Sprachschulen. Wer nach Guatemala reist und eher stockende Sprachkenntnisse besitzt, der macht oft vor dem Start der eigentlichen Reise einen Sprachkurs in Xela oder auch in Antigua, dem touristischsten Gebiet Guatemalas. Spanisch ist nämlich die Essenz der guten Kommunikation im Land. Wegen einigen sehr dunklen Ecken in (Aus)Bildung der meisten Guatemalteken (darüber werde ich ganz sicher noch ausführlicher schreiben), kommt man hier wie in so vielen mittel-und südamerikanischen Ländern mit Englisch leider gar nicht weit. Spanisch ist sehr wichtig, auch für meine Arbeit im Projekt die Basis. Daher belege ich hier für drei Wochen einen Spanischkurs, der mir die Sprache und die Kultur der Region näherbringen soll. 

Meine noch sehr junge Lehrerin Glarys bringt mir dabei vor allem ihre Sicht auf die Dinge näher. Dass wir etwa einer Generation angehören, macht es mir deutlich einfacher, die Unterschiede aus einer sehr ähnlichen Sichtweise zu verstehen. Ich habe das Gefühl, sie bringt mir die Welt der jungen Menschen in meinem Alter in Xela durch ihre Erzählungen näher, auch wenn sie dabei nicht besonders reflektiert scheint. Ich merke und verstehe, dass das ganz einfach daran liegt, in welchem Umfeld sie ihr Leben lang verbracht hat, welche Ansichten ihr anerzogen wurden und wie unfrei sie dabei in eigener Meinung ist, geschweige denn einer kritischen Reflektion dessen, was ihr beigebracht wurde. Während ich aus einem sehr toleranten Elternhaus komme und frei in dem bin, was ich glaube und was ich tue, ist sie auch mit 23 Jahren noch sehr an ihr Elternhaus und die Meinung ihres Vaters gebunden. Hier merke ich ganz besonders: anderes Land, andere Kultur. 

Und nicht nur das: ich falle auf. Mit meinen nahezu blonden Haaren, meinen 1,64 m, meinen geraden Zähnen, meiner Hautfarbe und natürlich der westlichen Kleidung (sehr viele Frauen im Alltag noch Tracht). Ich habe das Gefühl, auf den Straßen alle Blicke auf mich zu ziehen - die ersten doch recht unangenehmen Momente im Land. Aber während wir die Möglichkeiten dazu haben, die unterschiedlichsten Ethnien kennenlernen zu dürfen und reisen zu können, kennen die allermeisten Menschen hier nur ihren guatemaltekischen Alltag, zu dem eben kein westliches Mädchen gehört. Auch wenn mir die Blicke unangenehm sind, verstehe ich das Verhalten der Menschen hier.

Trotz der krassen Konservativität in der Stadt können die Quetzaltenangos feiern was das Zeug hält. Guatemala erklärte sich am 15.September 1821 von Spanien unabhängig und feiert diesen Schritt seit fast 200 Jahren mit einer ganzen Independence-Woche. Die große Party mit kostenlosen Kozerten von bekannten guatemaltekischen Künstlern, die von tausenden jungen Menschen besucht werden, einem riesigen Jahrmarkt mit vielen typischen Speisen und Fahrgeschäften, die dem deutschen TÜV ganz sicher nicht gefallen würden, unfassbar vielen Paraden, ganz nach dem guatemaltekischen Standard mit Blaskapellen und Trachten, einer Miss Guatemala-Wahl und dem Zusammentragen einer großen Flamme aus den unterschiedlichsten Gebieten Guatemalas, findet in Xela statt. Bei dieser Feiertagswoche hat die Hauptstadt nicht mitzureden. Hier wird nicht nur die Unabhängigkeit des Landes gefeiert, die Stadt nimmt diese Zeit auch als Anlass, sich selbst zu feiern. 

Trotz all der Selbstbestimmtheit sind die Einwohner wirklich freundlich zu allen Außenstehenden, so auch meine Gastfamilie, in der ich die drei Wochen verbringe. Einige Dinge, die selbstverständlich scheinen, muss ich mir regelrecht erkämpfen (Klopapier oder Wifi), aber ansonsten ist das Bett bequem und die traditionellen Gerichte, durch meine Hostmama Esperanza frisch gekocht, immer unheimlich lecker. 

Orte, die man nicht verpassen sollte

Heiße Quellen

Um Xela gibt es die Fuentes Georginas, eine kleine Ansammlung von heißen Quellen, die umgeben sind von Nebel und Regenwald.

 

Der Markt

In Xela finden sich die unterschiedlichsten farbenfrohen Märkte, mit tollen Früchten und traditionellen Tortillas oder Tamales. Unbedingt ein Besuch wert.

 

Cafes im Zentrum

Neben einigen kulturellen Angeboten und Sehenswürdigkeiten sind die Cafes besonders für Spanischschüler unbezahlbar. Hier gibt es gutes Wifi und leckere Schokolade oder Kaffee, den es in den Gnstfamilien oft nicht gibt. 


Xelas Steckbrief

Name: Quetzaltenango

Einwohnerzahl: ~150 000

Höhe: 2235 m

Region Quetzaltenango

 

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